Auf Einladung des Ortsvereins Garmisch-Partenkirchen fand ein höchst interessantes Gespräch mit Carmen Wegge, Mitglied des Bundetages, im Café Adlwärth statt.
Vor zahlreichen interessierten Gästen gab Carmen Wegge bereitwillig Auskunft über aktuelle Themen und ihre Einschätzung zu den konkreten Problemen in unserer Region. Hier Auszüge (!) aus dem Gespräch:
Wohnen von jung bis alt – soziale Rahmenbedingungen
Harald Helfrich: "Bezug zum Besuch im Seniorenzentrum Leifheit – wie hat es dir gefallen, was ist dir aufgefallen?"
Carmen Wegge: "Hier sieht man, was möglich ist, wenn Geld vorhanden ist und politische Einigkeit herrscht."
H.H.: "Bei manchen Parteien ist es aber leider so, dass sie nur dann sozial denken, wenn viel Geld da ist. Sonst fällt das Soziale gerne einmal dem Rotstift zum Opfer.
C.W.: "Richtig."
H.H.: "Unsere Gesellschaft wird stetig älter. Muss man „Wohnen“ neu denken? Stichwort ‚Mehrgenerationenhäuser“
C.W.: "Das kann eine Lösung sein. Zusätzlich müssen Konzepte entwickelt werden, wie man ältere, alleinstehende Menschen, die in viel zu großen Wohnungen leben (Ehepartner verstorben, Kinder außer Haus) motiviert, in kleinere Wohnungen umzuziehen und somit Wohnraum für andere zu schaffen. Natürlich darf dadurch diesen Menschen kein finanzieller Nachteil entstehen."
H.H.: "Mieten steigen exorbitant (gerade in Tourismusgebieten), Löhne aber nicht. Was kann der Staat tun, um dem entgegenzuwirken? Zusätzlich gibt es sehr viele Zweitwohnungen. Folge: Mietpreise steigen, Wohnraum für Einheimische sinkt. Was tun?"
C.W.: Andernorts wird bereits die Zweitwohnungssteuer massiv erhöht. Das wäre auch die erste Option, die ich erwägen würde. Gleichzeitig benötigen wir eine Bodenrechts-Reform. Übermäßige Gewinne bei großen Wohnungsbaugesellschaften müssten an den Staat fließen. Zudem muss die Berechnung des Mietpreisspiegels neu definiert werden."
H.H.: "Wir haben gerade in Pflege und Erziehung einen eklatanten Fachkräftemangel. Wie kann es gelingen, neue Fachkräfte auszubilden und, falls wir sie bekommen, wo sollen Erzieher*innen und Pflegekräfte wohnen?"
C.W.: "Realistisch geht das Wohnen für die Beschäftigten in Ga-Pa. nur noch, wenn der Arbeitgeber Werks- oder Betriebswohnungen zur Verfügung stellt oder die Kommune günstigen Wohnraum generiert. Gleichzeitig muss die Attraktivität dieser Berufsgruppen durch höhere Löhne und bessere Rahmenbedingungen steigen."
H.H.: "Die SPD-Fraktion im Kreistag GaPa bringt hier sehr viel voran: * Ga-Pa ist Ausbildungsstandort für Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen geworden, (SPD-Antrag). * Es wurde das St.Josefsheim gekauft, um es langfristig als Schülerwohnheim zu nutzen, (SPD-Antrag). Leider hat die Mehrheit des Kreistages dafür plädiert, nun das Gesundheitsamt dort unterzubringen, was die Planungen für Schüler-Wohnen wieder um Jahre zurückwirft. Ein fatales Signal! * die Fraktion hat die Bildung einer Wohnungsverwaltungsgesellschaft des Landkreises auf den Weg gebracht, (SPD-Antrag)."
H.H.: "Viele Leerstände bei großen Wohnungsbaugesellschaften. Welche Handlungsmöglichkeiten haben Bund, Land und Kommunen?"
C.W.: "Hier muss die Kommune nachfassen und direkt vor Ort nachforschen: was ist mit dieser einzelnen Wohnung? Betroffene, denen gekündigt wird, dürfen nicht auf der Straße stehen, Kommune hat Unterbringungspflicht. Oft weisen die Verantwortlichen darauf hin, dass sie nicht in Privatrecht eingreifen dürfen. Für Wohnraum zu sorgen, gehört aber zur Daseinsvorsorge der Kommunen. Daher muss hier viel energischer Druck seitens der Kommunalpolitik gemacht werden."
Energiewende – wie heizen wir in Zukunft bezahlbar?
H.H.: "Die schnelle Unabhängigkeit von russischen Energien ist komplett gelungen. Die Speicher sind voll. Warum finden dies medial so wenig Beachtung?"
C.W.: "Man muss ganz ehrlich zugeben, dass wir für diesen Erfolg einige Kompromisse eingehen mussten, die unausweichlich waren, und mit denen man nicht groß Hausieren geht: die verlängerte Laufzeit der AKWs und die weitere Nutzung der Kohlekraft. Durch den Ukraine-Krieg ist hier vieles notwendig geworden, was eigentlich nicht in unsere Agenda passt. Mittel- und langfristig bleibt das Ziel Kohlausstieg. Die AKWs brauchen wir nicht mehr. Das bestätigten gerade die aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur."
H.H.: "Wie heizen wir in der Zukunft bezahlbar?"
C.W.: "Die Antworten sind ohne Wenn und Aber die erneuerbaren Energien."
H.H.: "Welches sind die tatsächlichen Fakten zur Wärmepumpe (hier sind viele Fake-News im Umlauf)?"
C.W.: "Es gibt noch überhaupt keine Fakten, da das Gesetz immer noch intern diskutiert wird und durch sehr viele Gremien muss. Dort ändert sich auch immer viel. Hier werden im Moment sehr viele Unwahrheiten verbreitet. Und, ich fürchte, ganz bewusst."
Mobilität – die Zeitenwende
H.H.: "Wie kann die Mobilitätswende im ländlichen Raum gelingen? Was wären gute Strategien, um auch den Skeptikern die Chancen einer solchen Veränderung schmackhaft zu machen? Das 49 Euro-Ticket ist ein erster guter Schritt. Wie wird es angenommen?"
C.W.: "Es wird sehr gut angenommen. Derzeit nutzen 16-17 Millionen Bundesbürger das 49-Euro-Ticket, Das ist in Anbetracht der Kürze der Zeit eine erstaunliche Zahl. Viele Menschen im ländlichen Raum nutzen die Bahn bereits deutlich häufiger als früher, zumindest als Teilstrecke. Ganz auf das Auto zu verzichten ist hier schwierig, aber auch der Teilverzicht trägt viel zur Mobilitätswende bei."
H.H.: "Wie kann man 20 Jahre Vollschlaf der CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer in Bezug auf die Deutsche Bahn wieder geraderücken?"
C.W.: "Siehe oben. Durch Fahrpreis und Kampagnen-Management lässt sich einiges schnell verbessern. Die Tatsache jedoch, dass 20 Jahre lang praktisch nichts in die Bahn investiert wurde, wird uns aber bei der Infrastruktur noch Jahrzehnte beschäftigen."
Anschließend gab es eine sehr rege Diskussionsrunde mit den Anwesenden.